Starke Nachhaltigkeit

Damian Jerjen, Ökonom und Raumplaner, Direktor EspaceSuisse
Donnerstag, 02.11.2023
Im Hinblick auf den Klimawandel und die Biodiversitätskrise ist für eine nachhaltige Raumentwicklung ein Paradigmenwechsel hin zur sogenannten starken Nachhaltigkeit erforderlich.
Grafik: Stockholm Resilience Centre, Stockholm University

Die Raumplanung hat zum Ziel, die vielen raumwirksamen Tätigkeiten vorausschauend zu koordinieren, die bestgeeigneten Standorte zur Abdeckung der verschiedensten räumlichen Bedürfnisse zu finden und damit eine nachhaltige Entwicklung zu ermöglichen. Dabei ist die raumplanerische Interessenabwägung ein wichtiges Element, bei der es darum geht, ein Vorhaben so zu optimieren, dass alle Interessen möglichst umfassend berücksichtigt werden. Was jedoch nicht heisst, dass in jedem Fall ein ausgleichender Kompromiss angestrebt wird. Bei Unvereinbarkeiten kann es dazu kommen, dass das eine Interesse bevorzugt und das andere endgültig zurückgestellt wird.

Gerade zwischen ökonomischen und ökologischen Interessen tauchen häufig Zielkonflikte auf. Sind beispielsweise Schutzgebiete bei der Standortsuche für die Energieproduktion betroffen, sind die Möglichkeiten zur Nutzung eingeschränkt. Das nationale Parlament tendiert aktuell dazu, den Natur- und Landschaftsschutz zugunsten von Wirtschaftswachstum aufzuweichen. Wie dies beispielsweise bei den Beratungen rund um die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Stromproduktion aus erneuerbaren Energieträgern der Fall war.

Zukunftsfähige Raumentwicklung

Aber gerade angesichts der aktuellen Herausforderungen wie Klimawandel und Biodiversitätskrise braucht es für eine zukunftsfähige Raumentwicklung einen Perspektivenwechsel hin zu einer sogenannt starken Nachhaltigkeit: Der Schutz der Biosphäre, eine schadstofffreie Umwelt und die Eindämmung der Klimakrise haben oberste Priorität gegenüber anderen Dimensionen wie der Wirtschaft. Denn die ökonomische Dimension hat die Aufgabe, die Voraussetzungen für eine gerechte und sozialverträgliche Erreichung dieser Ziele zu schaffen. Die «Hochzeitstorte der Nachhaltigkeit» des Stockholm Resilience Center illustriert dies schön und baut auf dem Modell der planetaren Belastungsgrenzen auf. Ausgangspunkt des Modells ist die Tatsache, dass Wirtschaftssystem und Gesellschaft in die Biosphäre eingebettet sind. Beide sind von deren Erhalt abhängig.

Gefragt ist Anpassungsfähigkeit

Demnach kann die soziale, wirtschaftliche und ökologische Entwicklung nicht getrennt betrachtet werden. Die Wirtschaft ist integrativer Teil der Gesellschaft und muss sich innerhalb der nicht verhandelbaren planetaren Grenzen entwickeln. Bei einer nachhaltigen Entwicklung nach diesem Verständnis geht es nicht mehr um Effizienz, sondern um Anpassungsfähigkeit. Es geht darum, die Natur zu regenerieren. Die Raumplanung muss diese Transformation hin zu einer starken Nachhaltigkeit mit ihren Instrumenten unterstützen und den Wert intakter Ökosysteme möglichst breit vermitteln.

Dieser Artikel ist auch im Blog auf ieu.ch erschienen.

Studie Biodiversität & Wirtschaft

Die Biodiversität wird laut einer neuen Studie zum Schlüsselfaktor für die Schweizer Wirtschaft. Eine grosse Mehrheit der Schweizer Unternehmen sei sich ihrer Auswirkungen auf die Biodiversität bewusst. Mittel- und langfristig hätten Vorreiter in Sachen Biodiversität klare Wettbewerbsvorteile.
Die Studie «Biodiversity: Time to Act – Opportunities and Risks for Swiss Business» von WWF Schweiz und Bain & Company können Sie hier herunterladen (nur auf Englisch).

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